top of page

„Der Zeitungskiosk ums Eck? Heißt derzeit Facebook oder Google.“ (Update)


Newsadoo Gründer David Böhm zur aktuellen Diskussion rund um Leistungsschutzrecht, Facebook-Machtdemonstrationen in Australien, und weitere brisante Branchenthemen. (Update des Artikels am 31.03.21)


Der gute, alte Presse-Grosso. Alle Verlage arbeiten oder arbeiteten mit denselben Grossist:innen, deren Aufgabe es ist bzw. war, die Zeitungen und Zeitschriften im Handel zu platzieren, damit Leser:innen sie kaufen können. Grossist:innen kümmern sich um die Logistik, das Vertriebsnetzwerk im Einzelhandel, und die Abrechnung. Die Verlage bezahlen für die Dienstleistung, damit sie relativ kostengünstig, gut und breit platziert sind. Im Kiosk üblich: Ein Heft liegt neben dem anderen, ein Zeitungsstapel neben dem nächsten. Sowohl der Handel, als auch die Grossist:innen, erhalten einen signifikanten Anteil am Umsatz, der durch den Verkauf der Publikationen erzielt wird. Alles ganz normal. Über Jahrzehnte.


Welche Zeitung hatte Überlegungen wie: Nein, wir wollen die Umsätze nicht teilen, künftig sollen sich die Leser:innen ihre Zeitung direkt bei uns am Verlagsstandort abholen! Oder: Wir wollen nicht neben diesen ganzen anderen Publikationen aufliegen – unsere Marke ist die wichtigste, und diese braucht Exklusivität! Also bauen wir exklusive Flagship-Kioske, wo es nur unser eigenes Medium zu kaufen gibt. Niemand kam auf diese Ideen. Weil es keinen Sinn macht. Für den digitalen Bereich wird das aber in Verlagen regelmäßig diskutiert oder auch so umgesetzt. Exklusivität der eigenen Brand. Nur die eigenen Kanäle bedienen. Eigene Systeme. Und andere Vehikel für die digitale Verbreitung tendenziell kritisch sehen.





Der neue Weg


Der digitale Presse-Grosso floriert. Nur: Er funktioniert anders. Und es sind andere Player:innen, die ihn still aufgebaut haben. Google und Facebook, wer sonst? Doch der Unterschied ist signifikant: Nein, sie nehmen kein Geld von den Verlagen. Sie kümmern sich meist auch (noch) nicht um die Abwicklung eines Digital-Abonnements. Sie liefern einfach frei Haus und kostenlos. Und als findige Unternehmer:innen haben sie andere Mittel und Wege aufgetan, diese Dienstleistung zu monetarisieren – Werbung.


Aber wer würde es dem Trafikanten vorwerfen, dass er sich an der Kundschaft, die Zeitungen kaufen will, bereichert? Weil diese nicht nur die Zeitung kauft, sondern oft auch noch Zigaretten und vielleicht einen Lotto-Schein? Sollte er dafür nicht an die Verlage eine Fee überweisen? Das wäre wohl grotesk. Im Digitalen läuft es aber darauf hinaus. Google und Facebook sollen von ihren Werbe-Erlösen Anteile an die Verlage abliefern, obwohl diese bereits durch massenhaft Traffic zum Nulltarif profitieren. So zumindest die Argumentation von Google und Facebook.


Nicht alle haben eine Freude damit, aber das Leistungsschutzrecht, das dem Urheber oder der Urheberin die Möglichkeit gibt, darüber zu entscheiden, ob und wo Teile des Contents gewinnbringend verwertet werden, hat eine Berechtigung. Es ist sogar ein notwendiges Werkzeug für die Zukunft der Verlage. Ich bin ein klarer Befürworter. Die Beziehung, die die Verlage mit Google und Facebook haben, sehe ich seit Jahren kritisch. Nicht, weil ich Google oder Facebook kritisch sehe, sondern weil die meisten Verlage lange Zeit nicht bemerkt haben, dass sie in eine schleichende Abhängigkeit geraten, die für freien und unabhängigen Journalismus nicht förderlich ist. Das digitale Geschäft wurde jahrelang nicht ernstgenommen, und steigende Klicks und Likes waren als Indikator für eine gute Entwicklung anerkannt. Sehr viel Geld wurde ausgegeben, eigene Social-Media-Redaktionen aufgebaut. Quasi: Redaktionen wurden bezahlt, die für Facebook Content produzieren.


Google und Facebook sind nicht schuld daran, dass die Verlage seit Jahren keine eigene Branchenlösung auf die Straße gebracht haben. Man könnte sagen, die ganze Branche ist vor Jahren digital falsch abgebogen, und macht den Grundbesitzer oder die Grundbesitzerin der Sackgasse dafür verantwortlich, dass es hier nicht weitergeht. Und wenn, dann nur nach den Regeln des Eigentümers oder der Eigentümerin.


Google, Facebook, die Medien - und die User:innen


Es ist nicht zeitgemäß, wenn regionale und nationale Verlage untereinander ihre Rivalität ausleben – die Branche braucht gemeinsame Lösungen. Es ist Unsinn, wenn jeder Verlag seine eigene Technologie entwickelt. Oder Apps betreibt, Paywalls einführt und Unmengen an Geld dafür ausgibt, um Systeme zu entwickeln, die so funktionieren, wie der Verlag gerne möchte, dass User:innen auf den Verlagscontent zugreifen. Es geht nicht um die Verlage. Es geht um keinen Selbstzweck. Es geht um die User:innen – die Menschen. Die wollen unterhalten werden, sie wollen informiert werden, sie wollen begeistert werden. Google, Facebook und weitere Tech-Unternehmen aus Amerika machen das jeden Tag vor. Sie richten Ihre Produkte konsequent an den Bedürfnissen der User:innen aus. In der Zwischenzeit wird in Europa über gesetzliche Regelungen debattiert, um die besten Technologien und Lösungen verbannen oder einschränken zu können, anstatt selber bessere zu entwickeln.


Gemeinsame Sache


Aus unserer Sicht ist die Lösung einfach und klar: Wir brauchen einen eigenen, digitalen, europäischen Presse-Grosso. Einen, der sich aber weniger nach den Bedürfnissen der Verlage richtet, sondern nach den User:innen. Es muss die Leser:innen einfach nur begeistern. Es muss offensiv vorwärtsgehen. Innovativ, mutig und vor allem gemeinsam! Gemeinsame Interessen mit gebündelter Kraft verfolgen. Nicht im Lobbying, sondern im Bereich Technologie und Innovation. Und durchaus auch gemeinsam mit Facebook und mit Google. Es sollten die Stärken verbunden werden, und gemeinsam ein innovativer Mehrwert geschaffen werden, von dem alle profitieren. Die User:innen, die Verlage und genauso Partner:innen, wie Google und Facebook.


Wir arbeiten seit 2017 daran, dass diese Vision Wirklichkeit wird. Obwohl viele Verlage bis heute ausschließen, im großen Stil gemeinsame Sache machen zu wollen. Was nichts Neues wäre. Im Presse-Grosso war es immer schon so. Und auf Google? Auf Facebook? Auf Clubhouse? Sind hier nicht auch alle gemeinsam vertreten? Die Frage ist dann wieder nur: Wer ist schneller und größer?


Wir haben eine Technologie entwickelt, die international führend ist, die all das Angesprochene miteinander vereint. Wir entwickeln Funktionen, die den User:innen in den Mittelpunkt stellen, sie begeistern und lange im System halten werden. Im Hintergrund basiert alles auf Daten. Die Monetarisierungs-Möglichkeiten sind plausibel und vielfältig. Und über allem steht immer das Ziel, dass wir ein System aufbauen, das für die Publisher:innen funktioniert, das ihnen im Optimalfall am Ende sogar gehört.


Ich bin zwar wie fast alle derzeit meist im Homeoffice, dafür bin ich umso leichter für persönliche Diskussionen zu erreichen. Ich freue mich über Gegenargumente, und noch mehr, wenn wir am Ende einen gemeinsamen Weg finden, wie wir die Unabhängigkeit und Vielfältigkeit der europäischen Verlage langfristig sichern und stärken können. Darin liegt mein Antrieb.


Beste Grüße,

David Böhm


bottom of page